Shutdown bei Autismus


Neurodive Lexikon

Ein autistischer Shutdown ist eine häufige Reaktion auf Überlastung des Nervensystems bei autistischen Personen. Er tritt auf, wenn eine Reiz- oder Stresssituation so intensiv wird, dass das System „herunterfährt“, um sich zu schützen.
Auch bei Menschen mit AD(H)S, hochsensiblen Personen und in Einzelfällen selbst bei neurotypischen Menschen kann es in besonders belastenden Situationen zu shutdown-ähnlichen Zuständen kommen. 

Häufiger treten Shutdowns jedoch bei Personen mit einer Reizfilterschwäche auf – etwa im Rahmen des autistischen Spektrums oder anderer neurodivergenter Verarbeitungsweisen.

Im Gegensatz zu Meltdowns verläuft ein Shutdown meist nach innen gerichtet: Betroffene wirken still, zurückgezogen oder „wie eingefroren“. Typische Anzeichen sind Sprachblockaden, emotionale Taubheit, eingeschränkte Bewegungsfähigkeit, Gedankenleere und ein starkes Rückzugsbedürfnis.

Ein Shutdown ist keine bewusste Entscheidung, sondern ein neurobiologischer Selbstschutzmechanismus – und sollte nicht mit Desinteresse, Trotz oder Faulheit verwechselt werden.

Was ist ein Shutdown?

Du bist nicht störrisch. Nicht überempfindlich. Und du machst das auch nicht, um Aufmerksamkeit zu bekommen.


Wenn du öfter mal das Gefühl hast, plötzlich nicht mehr sprechen, denken oder dich bewegen zu können – dann bist du vielleicht nicht einfach nur überfordert. Vielleicht ist das, was du erlebst, ein autistischer Shutdown.
Das Tragische ist:
 Viele von uns – vor allem, wenn sie spät diagnostiziert wurden – wissen gar nicht, dass das, was da passiert, einen Namen hat.


Stattdessen denken wir:


Ich kann halt nicht gut mit Stress umgehen.


Ich bin nicht belastbar genug.


Ich muss einfach tougher werden.


Aber was du da erlebst, ist keine Charakterschwäche.
 Es ist eine neurobiologische Reaktion deines Gehirns auf Überlastung. Sie verdient Aufmerksamkeit – und Mitgefühl.

Wie entsteht ein Shutdown?

Ein Shutdown ist eine mögliche Reaktion auf Reizüberflutung, sozialen Druck, emotionale Überforderung oder chronische Erschöpfung.
Im Gegensatz zum Meltdown, der meist nach außen sichtbar wird (z. B. durch Weinen, Schreien, impulsive Handlungen), ist ein Shutdown nach innen gerichtet.
Er passiert leise. Und er wird viel zu oft übersehen – sogar von einem selbst, wenn man die Vokabel "Shutdown" noch nie gehört hat. 

Ein Shutdown kann sich anfühlen wie:

  • Nichts geht mehr
  • Alles zieht sich nach innen zurück
  • Die Welt ist zu laut, zu grell, zu viel
  • Jede weitere Anforderung tut fast weh (z.B. angesprochen werden, mit der Erwartungshaltung, dass man antwortet) 

Und plötzlich bist du raus. Dein Hirn streikt. Du fühlst dich wie ein festhängender Charakter in einem Videospiel. Ohne Vorwarnung. Ohne Plan.

Die Anzeichen - Woran du einen Shutdown erkennen kannst

Nicht jeder Shutdown sieht gleich aus. Aber es gibt typische Anzeichen, die viele von uns kennen.
 Hier sind sieben davon – vielleicht erkennst du dich wieder:

1. Du frierst innerlich ein

Wie ein Videospiel-Charakter, der hängt.
 Du willst dich bewegen – aber es geht nicht.
 Du weißt, du solltest etwas tun – aber du erinnerst dich nicht mehr, was.
 Dein Körper ist da, aber du fühlst dich „auf Pause“.
 Als hätte jemand die Fernbedienung verloren.

2. Sprache ist unmöglich

Es ist nicht „Ich will nicht sprechen“, sondern: „Ich kann gerade nicht sprechen.“


Selbst einfachste Wörter fühlen sich an wie Gewichteheben mit Obelix´ Hinkelstein.
 Du weißt, was du sagen willst – aber dein Mund macht nicht mit.
 Sogar ein „Ja“ oder „Nein“ kostet unfassbar viel Kraft.

3. Du fühlst dich emotional taub

Nicht ruhig oder entspannt. Einfach: leer.
 Als hätte jemand alle Gefühle abgeschaltet, damit dein System nicht durchbrennt. 
Oder: Du fühlst etwas, aber nur wie durch eine Milchglasscheibe.
 Nichts kommt wirklich an.

4. Selbst schöne Dinge sind zu viel

Musik, die du sonst liebst?
 Deine Lieblingsserie, dein Fidget, von einem geliebten Menschen berührt werden?
 Alles fühlt sich plötzlich falsch, laut oder überfordernd an.


5. Deine Gedanken machen Schleifen – oder verschwinden

Manchmal dreht sich dein Gehirn im Kreis:
 Eine alte Szene, ein Fehler, eine absurde Angst – immer und immer wieder.
 Oder: Nichts geht mehr. Keine Gedanken. Kein Plan.
 Nur Leere. Wie ein Fernseher auf Standbild.

6. Du brauchst sofort Rückzug

Shutdowns bringen oft einen dringenden Wunsch nach Alleinsein mit sich.
 Und zwar sofort – ganz egal, wie sehr du die Menschen in deiner Nähe liebst.
 Du verschwindest wortlos aus einem Raum, sagst kurzfristig ab oder flüchtest ins Bad.
 Weil das der einzige Ort ist, an dem das Gehirn wieder atmen kann.

7. Du bist nicht „wütend“ oder „genervt“ – du bist weg

Shutdowns sehen von außen oft harmlos aus.
 Du wirkst vielleicht einfach sehr ruhig oder „ein bisschen durch“.
  Manchmal wird das Verhalten auch als bockig oder störrisch fehlinterepretiert. Aber innen drin bist du wie abgeschaltet – zur Selbstrettung.

Warum es wichtig ist, Shutdowns zu erkennen

Viele von uns haben gelernt, einen Shutdown als problematisch, unverständlich oder als Schwäche zu sehen.


Aber die Wahrheit ist:
Ein Shutdown ist dein Gehirn, das versucht, dich zu schützen.
So wie ein Computer in den Energiesparmodus geht, um nicht zu überhitzen.
 Oder wie eine Notbremse, wenn das System zu nah an der Überlastung ist.
Das bedeutet: Du bist nicht kaputt. Und du musst dich dafür nicht schämen.

Wenn du Shutdowns nicht erkennst und erstnimmst, führt das zu erhöhtem Stress. Stress, der manchmal noch lange nachwirkt. Es ist ein dissoziierter Zustand, der wahnsinnig anstrengend ist. Dich danach einfach normal weiterzubelasten - und dir vielleicht noch Vorwürfe für dein "Nicht-Funktionieren" zu machen - führt schnell zu einem dauerhaft leeren Akku und schlimmstenfalls zu Krankheiten wegen Dauerstress und fehlender Regeneration.

Was du daraus mitnehmen kannst

🌀 Achte auf deine Frühwarnzeichen.
Welche Situationen führen bei dir zu Shutdowns? (z. B. Lärm, viele Entscheidungen, Smalltalk, zu wenig Pausen…)
🌀 Nimm dich ernst. 
Ein Shutdown ist real – auch wenn andere nichts sehen.
 Du brauchst in dem Moment keine Erklärungen, sondern Schutz und Rückzug.
🌀 Lass Schuldgefühle los.
 Shutdowns machen dich nicht „zu sensibel“.
 Sie zeigen, dass dein Nervensystem funktioniert – nur eben anders.

Wenn dir das bekannt vorkommt:
 Willkommen. Du bist nicht allein. Und du bist nicht falsch.
Das hier ist dein Raum, dich und dein Erleben ernst zu nehmen – auch (und gerade) dann, wenn niemand anders es sieht.

Weiterführende Ressourcen

Der autistische Youtuber Paul Micallef  zeigt in diesem YouTube-Video seine Sicht auf Shutdown und Silent Meltdowns:

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